Kiwifarms: Transfeindliche Hetz-Seite vom Netz genommen (2024)

Troll-Plattform KiwifarmsTransfeindliche Hetzseite vom Netz genommen

Das Forum Kiwifarms war über Jahre Ausgangspunkt großer Stalking-Aktionen. Dabei wurde unter anderem versucht, trans Personen in den Suizid zu treiben. Nun wehrte sich ein Opfer der Seite erfolgreich.

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Kiwifarms: Transfeindliche Hetz-Seite vom Netz genommen (1)

Die berüchtigte Troll-Website Kiwifarms ist seit Kurzem nicht mehr unter ihrer ursprünglichen Adresse im Netz abrufbar. Zuvor, am Samstag, hatte sich die große IT-Sicherheitsfirma Cloudflare öffentlich von Kiwifarms distanziert. Die umstrittene Seite konnte sich in der Vergangenheit auch mithilfe von Maßnahmen des US-Unternehmens vor Angriffen schützen und so im Netz halten. Jetzt heißt es in einer Mitteilung von Cloudflare auf der Kiwifarms-Seite: »Aufgrund einer unmittelbaren Bedrohung für menschliches Leben ist der Inhalt dieser Website gesperrt.«

Die Mitglieder des Forums nahmen seit Jahren unter anderem trans Personen, Frauen und queere Menschen ins Visier, um ihnen mit aufwendigen Stalking-Aktionen das Leben schwer zu machen. Mehrere Selbstmorde werden mit Belästigungskampagnen von Kiwifarms in Verbindung gebracht, teils wurden nach einem Suizid auch Familienangehörige ins Visier genommen.

Bereits vor Jahren wurde die Seite als die »größte Stalker-Community der Welt« porträtiert. Kiwifarms war voller menschenverachtender und teils auch rechtsextremistischer Beiträge, auch wenn einige Mitglieder sich rhetorisch von Neonazis abgrenzten oder diese ebenfalls verhöhnten. Ein Fachportal für Online-Extremismus, »Belltower News«, beschrieb die Seite kürzlich als »rechtsradikales Trollforum«. Auf Kiwifarms gab es auch zahlreiche Einträge zu dem deutschen YouTuber Drachenlord, der seit vielen Jahren ein Ziel von Troll-Kampagnen und Belästigungen ist. (Lesen Sie hier mehr über den Fall Drachenlord.)

Bekannt für perfide Troll-Kampagnen

Auf der Plattform, die monatlich millionenfach aufgerufen wurde, wurden immer wieder Details aus dem Privatleben von Opfern der Community geteilt. Laut verschiedenen Medienberichten war Kiwifarms sowohl der Ausgangspunkt von Hackerangriffen als auch von sogenanntem Swatting. Dabei handelt es sich um eine bei Trollen beliebte Taktik, bei der sie anonym einen falschen Notruf absetzen, etwa wegen eines vermeintlichen Bombenangriffs. Ziel des Ganzen ist es, dass bewaffnete Polizisten die Wohnungen ihrer Opfer stürmen.

Die kanadische Twitch-Streamerin Clara Sorrenti war selbst Opfer eines solchen Swatting-Angriffs geworden. Seitdem setzte sie sich mit einer Kampagne namens »DropKiwifarms« dafür ein, dass wichtige Internetfirmen wie etwa Cloudflare die Plattform nicht weiter als Kunden unterstützen.

Medienberichten zufolge war Sorrenti wegen Bedrohungen durch Kiwifarms-Mitglieder sogar schon von ihrem Zuhause aus ins Ausland geflüchtet. Die Trolle allerdings brauchten nicht lange, um sie zu lokalisieren – und ihren Aufenthaltsort erneut ins Netz zu stellen.

Am Montag schrieb Sorrenti nun auf ihrer Website: »Die Kampagne ist vorbei. Wir haben gewonnen.«

Kurzzeitiger Umzug nach Russland

Nach der Abschaltung von Kiwifarms meldeten sich in den sozialen Netzwerken mehrere trans Personen zu Wort und berichteten von Angriffen gegen sich. Einige schrieben, dass sie zuvor Angst hatten, öffentlich über die Hetze zu sprechen. Sie befürchteten, die Trolle damit noch weiter anzufeuern.

Eine Mutter etwa berichtete von einer Kampagne von Kiwifarms-Mitgliedern gegen ihre Familie. Wenige Tage nachdem ihre neunjährige Transgender-Tochter auf dem Titelbild der Zeitung »National Geographic« abgebildet war, fanden die Trolle demnach ihre Adresse heraus, belagerten ihr Haus und veröffentlichten private Informationen sowie Falschnachrichten zur Verleumdung.

Nach der ersten Abschaltung am Wochenende war Kiwifarms zeitweise auf eine russische Domain umgezogen und hatte statt Cloudflare einen anderen Dienstanbieter zum Schutz vor Angriffen geschaltet. Doch auch dieser hat das Forum nach kurzer Zeit wieder rausgeworfen. Damit ist es für die Macher von Kiwifarms nun viel schwieriger als zuvor, ungestört ihre Seite zu betreiben, wie sie selbst in einem Telegram-Post eingestehen. Die Betreiber der Seite versuchen aber, ihr Angebot durch Umzüge zu kleineren oder obskuren Hosting-Anbietern im Netz zu halten.

Cloudflare-Chef spricht von »gefährlicher Entscheidung«

Matthew Prince, der Chef von Cloudflare, sprach in einem Blogbeitrag von einer »außergewöhnlichen« und »gefährlichen« Entscheidung seines Unternehmens, mit der man sich nicht wohlfühle. Allerdings seien die gezielten Drohungen auf Kiwifarms in den 48 Stunden vor der Entscheidung so weit eskaliert, dass man von einem beispiellosen Notfall ausgegangen sei, so Prince. So etwas habe man bisher noch bei keinem anderen Kunden beobachtet.

Kiwifarms: Transfeindliche Hetz-Seite vom Netz genommen (2)

Cloudflare zählte in der Vergangenheit unter anderem die für rechtsextremistische und rechtsterroristische Inhalte bekannte Seite 8chan zu seinen Kunden, auch hier kam es aber letztlich zum Bruch. Laut dem Unternehmen gibt es bereits laufende Ermittlungen zu Beiträgen auf Kiwifarms. Bei diesen jedoch gehe es leider langsamer voran als bei der Eskalation der Gefahr, so Cloudflare. »Wir benötigen einen Mechanismus, der es den Infrastrukturbetreibern ermöglicht, in für Menschenleben bedrohlichen Notfällen zügig mit den Justizbehörden zusammenzuarbeiten«, forderte Firmenchef Prince. So könnte man sicherstellen, dass die vom Unternehmen getroffenen Entscheidungen auf einem ordnungsgemäßen Verfahren beruhen.

Seine Dienste zum Schutz vor Cyberangriffen bietet Cloudflare zahlreichen großen Unternehmen und Kunden weltweit an, es gilt als eine der führenden Firmen in diesem Geschäftsfeld. Als wichtiger Anbieter in einem sensiblen Bereich der Internet-Infrastruktur hat Cloudflare damit Einfluss darauf, welche umstrittenen Seiten sich im Netz halten können und welche nicht. Matthew Prince betonte zu diesem Thema in seinem Blogbeitrag, dass sich seine Firma in weniger dringenden Fällen weiter an die normalen juristischen Prozesse halten wolle.

hpp

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